Schwangerschaft und Velo: ein Erfahrungsbericht für Freude am Rennvelo, MTB und eBike
Fast sind nun meine 9 Monate Schwangerschaft vorüber und ich habe versprochen, meine Erfahrungen mit dem Velo hier zu dokumentieren. Mit dickem Bauch aber munter und zufrieden nutze ich nun die letzten Tage und teile meine Erkenntnisse mit euch.
Die ersten Monate (1. Trimester):
Zu dieser Zeit habe ich mich wie gewohnt verhalten und auf dem Rennvelo bewegt. Meine Hoffnung, das 1. Trimester mit einem gesundem Baby gut zu überstehen, nahm den Grossteil meiner Sorgen ein. Daher habe ich auf kräftezehrende Touren verzichtet und gemütliche, aber nicht weniger ausgiebige Ausflüge bevorzugt.
Von Übelkeit war ich kaum geplagt und habe die Art meiner Tour stets nach dem ausgerichtet, was mir gut tat. Zu Hause sitzen und Trübsal blasen oder zu meinen, Sport würde den Gemütszustand verschlimmern, sind Illusionen und ich habe stets die Wahl an die frische Luft mit Bewegung bevorzugt – mit dem freudigem Ergebnis stets fröhlich und in deutlich besserer Verfassung nach Hause zu kommen.
Meine Erkenntnisse zum 1. Trimester im Überblick:
- Eine lange, anspruchsvolle Velotour schadet weder dir noch deinem Kind. Im Gegenteil, Sport beflügelt, lenkt ab in dieser ungewissen Zeit und lässt deinen Körper arbeiten, wie er es gewohnt ist.
- Bewegung und frische Luft sind grundsätzlich der Couch zu bevorzugen. Dein Motor läuft und versorgt dich und dein Baby mit Sauerstoff und Energie – genau was der Mensch eben benötigt. Auch sind die dadurch ausgeschütteten Endorphine nicht zu unterschätzen: sie bringen dich in eine ganz andere Stimmung, schon während und insbesondere nach der Tour schieben sich deine Mundwinkel nach oben und du bist froh über deine Entscheidung.
- Fühlst du dich einmal nicht sehr gut und dir ist sehr übel oder schwindelig, so gilt die Faustregel: gehe nur auf’s Velo solange du dich sicher fühlst. Eine unsichere Velofahrerin ist eine Gefahr für sich selbst und für andere. Diesen Aspekt sollte man genau einschätzen können und falls du nicht bereits ein gutes Körpergefühl entwickelt hast so ist jetzt der Zeitpunkt, die Signale deines Körpers kennen zu lernen, richtig zu interpretieren, einzuschätzen und schlussendlich die richtige Entscheidung zu treffen.
Die goldene Mitte (2. Trimester):
Ab hier ging meine Leistungskurve steil bergauf! Und so auch die gewählten Touren 😉
Hast du einmal die wichtigen Tests überstanden und befindest dich im 4. Monat, bist du zum einen mental ganz anders drauf, zum anderen physisch in deutlich zuverlässigerer und besserer Verfassung. Meine Leistungsfähigkeit und Energie nahm von Tag zu Tag zu und ich habe zu dieser Zeit herrliche Touren gemacht. Der Bauch wurde sichtbar, aber störte noch nicht. Übelkeit und sonstige Beschwerden waren bei mir kein Thema. Ich konnte somit gerade diese Zeit in vollen Zügen geniessen.
Jedoch begann es auch mit Kritik und Unverständnis für mein Tun. Andere Schwangere, Mütter oder die Familie machten sich Sorgen oder konnten und wollten im Extremfall nicht akzeptieren, dass ich mich weiterhin so intensiv auf dem Velo (oder generell im Sport) betätigte. Nach ärztlicher Konsultation steht fest:
Bewegung tut gut solange du dich dabei wohl fühlst.
Hast du demnach keine körperlichen Beschwerden und fühlst dich gut bei dem was du machst, steht der körperlichen Aktivität nichts im Wege. Im Gegenteil! Ärzte und Ratgeber empfehlen dringend, aktiv zu bleiben, denn dies fördert Wachstum und Gesundheit für das Baby und auch das Wohlbefinden der Mutter in Punkto Fitness, Stabilität und Gewicht.
Mein persönlicher Fahrplan, den ich unbedingt weitergeben möchte, lautet wie folgt:
1. Beherrsche dein Velo
Hast du dein Velo unter Kontrolle? Kannst du damit umgehen? Fühlst du dich sicher? Nur so kannst du den Umgang auf der Strasse und eine sinnhafte Reaktion bei kritischen Situationen gewährleisten. Daher sollte diese Frage an erster Stelle stehen.
2. Höre auf deinen Körper
Ärzte und Ratgeber sind sich einig, dass du selbst dein bester Arzt bist. Fühlst du dich gesund und leistungsfähig für die geplante Tour? Entspricht die Tour deinem Leistungsvermögen? Hast du Probleme identifiziert? Werde dir dessen bewusst und entwickle ein präzises Körpergefühl, welches dir die richtige Antwort für die bevorstehende Tour liefert. Auch hilft dir das, die Begleitpersonen darauf hinzuweisen und du machst somit von Beginn an klar, was erwartet werden kann und wo es allfällige Schwierigkeiten geben könnte und du Hilfe oder Verständnis benötigst.
Ein Beispiel:
Ich kann mich noch gut daran erinnern, als ich im 6. Monat mit Urs und Maja die Bergtour nach Andermatt / Oberalppass geplant hatte. Das Wetter war perfekt und ich war bestens vorbereitet. Velo geprüft, ich top fit und freute mich auf den Berg. Da ich aber eine solche längere Steigung nicht einschätzen könnte, habe ich beide Kollegen darüber informiert, dass ich zum einen nicht über 140 Pulsschläge komme möchte und somit sehr langsam fahre; zum anderen im „worst case“ ich die Tour abbrechen werde und wieder zurück fahre. Damit waren von Anfang an alle Tourenteilnehmer vorbereitet und wir konnten wunderbar harmonieren. In Andermatt angekommen fühlte ich mich wie neu geboren – ein tolles Gefühl und ich war stolz! Ich wusste aber auch, dass ich die zweite Etappe zum Oberalppass nicht mehr schaffte, ohne mich zu überanstrengen und sagte den beiden, sie könnten gerne weiterfahren und ich setze mich gemütlich in ein Café, geniesse die Sonne und warte. Sie entschieden sich aber, das Gleiche zu tun und so hatten wir gemeinsam einen tollen Ausklang.
3. Verstehe deine Psyche
Ganz wichtig ist auch die mentale Einschätzung vor einer Tour. Bist du extrem unsicher und fühlst dich einfach nicht wohl, bist du nicht nur für dein Baby und dich eine Gefahr, sondern auch für andere Verkehrsteilnehmer. Daher ist die Psyche stets ein Ausstiegspunkt für dich. Sobald du dich also nicht sicher fühlst, wird sich dies auf Punkt 1 und 2 auswirken: Dein Körper arbeitet nicht so wie er soll und könnte, er blockiert. Und du wirst dein Velo nicht mehr richtig bedienen und einsetzen können, du machst Fehler.
Dieses Beispiel kennen wir bei Anfängern oder unsicheren Personen: mit zu wenig Erfahrung und Angst geschehen viele Fehler. Mit mehr Selbstvertrauen gewinnen sie an Sicherheit und Stabilität.
Meine Erkenntnisse zum 2. Trimester im Überblick:
- Bewege dich und nutze diese wunderbare, goldene Zeit! So gut wirst du dich während der Schwangerschaft nicht mehr fühlen.
- Höre auf deinen Körper und bilde dir eine eigene Meinung zum Thema Sport / Velo.
- Nimm Kritik anderer Personen nicht zu schwer. Sie machen sich Sorgen oder sind etwas eifersüchtig, da du dich womöglich deutlich besser fühlst und somit aktiver sein kannst. Reagiere auf starke Kritik mit den neutralen Aussagen deines Arztes und beende das Thema.
- Schätze deine individuelle Lage jeden Tag neu ein: jede Person ist anders, jeder Tag ebenso.
- Geniesse, geniesse, geniesse deine Aktivität! Dies führt zu einem besseren Körpergefühl, einer guten Geburtsvorbereitung und einer tollen Stimmung für dich, dein Baby und deinem Partner!
Der Endspurt (3. Trimester):
Nun wird es allmählich beschwerlicher: Der Bauch wächst und fängt an zu stören. Durch das Wachstum verschieben sich deine Organe und blockieren Lunge und Zwerchfell. Du kannst schlechter atmen. Somit wird Sport auch beschwerlicher – aber nicht unmöglich!
Ich begann im 3. Trimester mit dem Umstieg aufs Elektro-MTB. Mein neues Flyer Goroc (davon werde ich noch separat berichten) ist die ideale Unterstützung, wenn ich in einer „normalen“ Gruppe weiterhin mithalten möchte. Ich kann individuell sehen, ob ich mit oder ohne Motor fahren möchte oder kann. Das gibt enorm viel Flexibilität und führt dazu, dass ich nun in Woche 39 immer noch fahre! Eine längere Tour ist nicht mehr drin, aber ich fahre beispielsweise immer noch zum Yoga nach Winti (ca. 45 min. pro Weg) oder eben mit dem MTB ohne Motor wenn es um kleinere Strecken geht.
Meine Erkenntnisse zum 3. Trimester im Überblick:
- Passe dein Velo deinem Körper an. Wenn es bequem ist und du flexibel sein kannst macht es nach wie vor Spass und du bist länger aktiv.
- Sei nicht traurig, dass du immer eingeschränkter wirst. Dein Baby wächst und bald wird es Teil deines Lebens sein. Deine Velokollegen werden Verständnis dafür haben.
- Falls du nicht schon vorher andere Sportarten ausgeübt hast, würde ich dir empfehlen, dies jetzt zu tun: Yoga, spazieren gehen, schwimmen – das sind ideale Begleitsportarten für die Schwangerschaft und halten dich fit.